24 Stunden von Le Mans

Das berühmteste Langstreckenrennen der 1960er-Jahre war die Kulisse für einen erbitterten Konkurrenzkampf zwischen dem amerikanischen Ford und dem italienischen Ferrari, wobei Longines die Rolle des Zeitnehmers übernahm.
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1960-1991
Auf der Welt ist kaum ein Rennen für die Rennfahrer und Ihre Autos anspruchsvoller, als das 24h-Rennen von Les Mans: Die 13,5 Kilometer lange Rennstrecke verläuft entlang holpriger Landstraßen, auf denen sich die Rennfahrer Tag und Nacht jagen. Auf der Mulsanne-Geraden, einem nahezu 5 km langen geraden Abschnitt, erreichten die schnellsten Rennwagen (Porsche 917) bereits 1971 eine Geschwindigkeit von über 390 km/h. Gleichzeitig waren stets auch zahlreiche private Teilnehmer mit viel langsameren Fahrzeugen auf der Srecke unterwegs. Das Rennen ist ein höchst anspruchsvoller Belastungstest für jedes Rennteam.
In den 1960er Jahren dominierte in Le Mans zuerst Ferrari, mit einer ununterbrochenen Siegesreihe von 1960 bis 1963. Gegen Ende dieser Periode kämpfte Ferrari jedoch mit finanziellen Problemen. Der US-Autogigant Ford erkannte die Gelegenheit und wollte den italienischen Sportwagenhersteller aufkaufen. Doch nach tagelangen Verhandlungen schlug Commendatore Enzo Ferrari das Angebot im letzten Moment aus. Nur eine Woche später ging der tief enttäuschte Henry Ford II zu Plan B über: Die Entwicklung eines eigenen Rennwagens. «Geht nach Le Mans und macht ihn fertig», befahl Ford seinen Leuten.
Im März 1969 war Longines am Genfer Automobilsalon am ACS-Stand mit einer riesigen Leuchttafel von Télé-Longines präsent, auf der der legendäre Porsche 917 als Weltpremiere vorgestellt wurde.
Der Ferrari 512S der Scuderia Filipinetti (Fahrer Corrado Manfredini/Gianpiero Moretti) 1970 in Le Mans mit dem Aufkleber «Longines Chronométrage Officiel» auf dem Kotflügel.
Ford stellte flugs ein Rennteam zusammen. In Zusammenarbeit mit dem englischen Rennwagenbauer Lola konstruierte Ford den schnittigen Mittelmotor-Sportwagen GT 40 mit Ford-V8-Motor. 1964 trat der amerikanische Herausforderer in Le Mans zum ersten Mal gegen die Italiener an. Der GT 40 war bereits überraschend schnell, jedoch nicht zuverlässig genug. Die Rundenzeiten, der Zeitabstand zwischen den Rennwagen sowie die Gesamtzeit wurden damals von Longines, dem offiziellen Zeitnehmer von Le Mans, festgehalten - wie in allen 24-Stunden-Rennen in Le Mans zwischen 1960 und 1991.

Henry Ford II hatte Millionen von Dollar für einen Sieg investiert, dennoch musste er 1964 eine bittere Niederlage einstecken: Seine drei GT 40 hatten alle versagt. Statt Ford hatte ein «aufbäumendes Pferd», pilotiert von Nino Vaccarella und Jean Guichet, die Ziellinie als Sieger überquert. Die beiden Fahrer legten in 24 Stunden mit ihrem Ferrari 275P mehr als 4695 Kilometer zurück.
Daraufhin suchte Ford beim Texaner Carroll Shelby Hilfe. Der ehemalige Le Mans-Gewinner (1959) und Sportwagenbauer machte sich zusammen mit seinem Rennfahrer und Mechaniker Ken Miles sofort daran, den GT 40 an neuralgischen Punkten zu verbessern. Als erstes setzten sie ihm einen leistungsstärkeren 7-Liter-Motor ein und verbesserten das Brems- und Fahrverhalten. Doch die Rennwagen mit ihren großen und schweren Motoren waren immer noch zu unzuverlässig. 1965 erwies sich als Katastrophe: Alle sechs Ford-Wagen mussten noch vor Ablauf der siebten Stunde aus dem Rennen genommen werden. Enzo Ferrari triumphierte erneut mit seinen roten Rennern, die sich auf Rang eins, zwei und drei platzierten.

Dann kam der dritte Versuch. 1966 brachten die Amerikaner 20 Tonnen Ersatzteile, Ausrüstung und eine Flotte von 15 Rennwagen (GT 40 Mk II) mit nach Le Mans. Die Organisatoren ließen acht davon zu. Diesmal gaben die GT 40 das Tempo vor. Longines registrierte für Dan Gurney (USA) mit Ford die schnellste Qualifyingrunde in einer Zeit von 3 Minuten und 30,60 Sekunden, was einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 230,1 km/h entsprach. Drei weitere Ford-Fahrer folgten nur Sekunden dahinter.
Le Mans 1966 in Zahlen
13,5 Kilometer
Länge der Rennstrecke.
350000
Anzahl Zuschauer.
3 Min. 30,6 Sek.
Schnellste Runde mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 230,1 km/h (Dan Guerney, Ford GT 40).
4843,1 Kilometer
Die vom Siegerduo McLaren/Amon (Ford GT 40) bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 201,8 km/h zurückgelegte Distanz.
55
Zahl der Rennwagen am Start.
15
Zahl der Rennwagen an der Ziellinie.
Start des Duells zwischen Ferrari und Ford am Le Mans-Rennen von 1964: John Surtees/Lorenzo Bandini (Ferrari 330P Nr. 9); Richie Ginther; Pedro Rodriguez/Skip Hudson (Ferrari 330P Nr. 19).
Le Mans 1971 in Zahlen
3 Min. 18,4 Sek.
Schnellste Runde mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 244,4 km/h (Jackie Oliver, Porsche 917).
5335,3 Kilometer
Die vom Siegerduo Helmut Marko/Gijs van Lennep (Porsche 917) bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 222,3 km/h zurückgelegte Distanz.
396 km/h
Höchstgeschwindigkeit beim Training auf der Mulsanne-Geraden von Jackie Oliver (Porsche 917).
49
Zahl der Rennwagen am Start.
12
Zahl der Rennwagen an der Ziellinie.
Ken Miles und Carroll Shelby 1966 am Le Mans-Rennen.
Präzise Zeitmessung durch die Experten von Longines: der Zeitmessstand in Le Mans in 1965.
An einem kühlen und bewölkten Nachmittag am 18. Juni 1966 um 16.00 Uhr fiel der Startschuss zum Rennen, das von 350 000 Zuschauern gespannt mitverfolgt wurde. Nach der ersten Runde waren drei Ford in Führung, gefolgt vom ersten Ferrari auf vierter Position. Erst im Laufe der Nacht, als der starke Regen den Leistungsvorsprung der großen Ford-Rennwagen wieder zunichtemachte, gelang es dem Ferrari 330 P3 von Richie Ginther, sich an die Spitze zu setzen. Mit nachlassendem Regen übernahmen die Ford-Wagen von Ken Miles und Dan Gurney wieder die Führung. Der Sieg schien gewiss. Der Ford-Rennstallleiter Leo Beebe verbrachte den Morgen mit Vorkehrungen, um die optimale Fotogelegenheit zu nutzen, die die Dominanz von Ford über seine Kontrahenten zeigen sollte: Die drei führenden Ford würden fast Kopf-an-Kopf die Ziellinie passieren.

Der Ford mit Ken Miles am Steuer verlangsamte das Tempo, um seinem Teamkollegen Bruce McLaren Gelegenheit zum Aufholen zu bieten. Dicht hinter ihnen folgte der Ford von Dick Hutcherson als Dritter. Doch aus dem erhofften Shot wurde ein Flop. Die Organisatoren des Rennens erklärten schließlich McLaren als Sieger, dessen Rennwagen 20 Meter hinter Miles gestartet war und somit die längste Strecke in 24 Stunden schaffte. Der erbitterte Konkurrenzkampf zwischen Ford und Ferrari bot die Vorlage für den großartigen Spielfilm «Le Mans 66» aus dem Jahr 2019 mit Matt Damon und Christian Bale in den Hauptrollen.
1966 gewann Ford das 24-Stunden-Rennen von Le Mans zum ersten Mal. In den Folgejahren kamen noch drei weitere Siege hinzu. Diese Erfolgsreihe war der wohl größte Triumph in der Geschichte des US-Autogiganten. «Es war das Ergebnis jahrelanger harter Bemühungen, mancher offensichtlicher Fehlschläge und eines enormen Geldaufwands, der ausgereicht hätte, um die Titanic wieder flott zu machen», schrieb damals die Autozeitschrift «Road and Track». In seinen glorreichen Jahren hielt der intensive und gefährliche Rennsport ganze Nationen in Atem.

1969 neigte sich die Erfolgssträhne des US-Teams jedoch dem Ende zu. Im Frühling des selben Jahres präsentierte Porsche seinen legendären 917 auf dem Genfer Automobilsalon. Longines unterstützte am Stand des Automobil Clubs der Schweiz (ACS) die Präsentationsveranstaltung des Modells 917 als offizieller Zeitnehmer des Langstreckenrennens von Le Mans. Der Erfolg des neuen Rennwagens mit dem luftgekühlten 12-Zylinder-Motor ließ nicht lange auf sich warten: 1970 und 1971 erzielte Porsche einen Doppelsieg in Le Mans (Attwood/Herrmann und Marko/van Lennep). Ferrari platzierte sich 1971 auf drittem und viertem Rang. Porsche holte sich bis 2019 insgesamt 15 weitere Siege in Le Mans.
Das 24-Stunden-Rennen von Le Mans begann 1965 wie üblich mit einer Laufübung. Dieses Prozedere wurde 1970 aus Sicherheitsgründen abgeschafft.